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Textauszug Ausstellungskatalog tracks - Städtische Galerie Schwabach
Momente des Innehaltens und der Bewegung
Über einige Bronze-Plastiken von Wolfgang Auer
Von Gerhard Charles Rump
Man ist sich sicher nicht permanent der Tatsache bewusst, und es gibt auch niemanden der das wirklich will, dass Bronze kein Material ist, in dem Künstler direkt arbeiten. Wohl kaum ein Künstler nimmt einen Barren Bronze her und hämmert fröhlich drauflos. Bronze ist mit Sicherheit kein Primärmaterial. Es handelt sich um ein Sekundärmaterial, welches Werken, die zuvor in einer anderen Materie wie Holz, Ton oder Gips geschaffen wurden, Dauerhaftigkeit verleiht. Da zeigt sich aber ein Paradox: Die, sagen wir, Gipsplastik wird kaum je als fertiges Werk aufgefasst sein, dieses wird erst mit dem Guss in Bronze geboren (oder einem ähnlichen Material, was aber seltener vorkommt)- Die Idee, der Entwurf – die werden im Primärmaterial realisiert, das fertige Kunstwerk im sekundären. Welch ein Vorgang, welch eine Umformung!
Bronze ist seit Jahrhunderten bei Künstlern beliebt, denn es besitzt außerordentliche Vorzüge. Es ist haltbar, wetterfest, schwer (und damit schwierig zu stehlen), setzt bis zu einem gewissen Grad auch Angriffen Widerstand entgegen, und, was noch wichtiger ist, kann behandelt werden, um unterschiedliche Oberflächen zu erhalten. Es schimmert im Goldglanz, wenn es poliert wird, oder aber zeigt eine tiefe Dunkelheit wenn es mit Schwefelleber behandelt wird. Es verleiht den Werken auch eine Art gemeinsamen Aussehens, das die Erscheinung zu einer ästhetischen Behauptung macht, so wie ein virtuelles Signal, das auf "Kunst" hinweist.
Die Kosten des Materials und der komplizierte und arbeitsreiche Prozess der Behandlung verhindern, dass man damit herumexperimentiert und für Skizzen gebraucht. Diese Regeln haben aber in den Bozzetti ihre Ausnahme. Bozzetti sind Entwürfe, meist in kleinem Format, aber, und noch ein Paradox, zu gefragten Sammlerstücken geworden, denn man hat in ihnen eine Vorahnung des Endgültigen. Die Werke Wolfgang Auers, mit denen wir uns hier beschäftigen, sind allerdings keine Bozzetti, Sie stehen allerdings in der ehrwürdigen Tradition der Kleinbronzen, die bei den Alten Ägyptern entstanden und ein weiteres Goldenes Zeitalter in der Renaissance hatten.
Die Ästhetik der Bronze verleiht einem Werk den Charakter ewiger Wahrheit, auch deshalb, weil es sich vom Illusionismus entfernt und das Gegenstück zur farbig gefassten Holzskulptur darstellt. So wie wir es bei Wolfgang Auers Bronzen finden. Man schau einmal auf den Barquero, den Fährmann, in "Am Breiten Fluss" (2015). Die Gestalt des Fährmanns ist im unteren Bereich noch einigermaßen individuell, wird aber nach oben hin abstrakter und orientiert sich an den Grundstrukturen und -richtungen an der Spitze, wobei der Fährmann eine Doppelrolle spielt: Einerseits geht es um die Stange (deren Spitze ein paar Zentimeter über dem Boden schwebt, was die Dynamik und Spannung von Bewegung hervorruft), andererseits dienst sie auch als formales Element. das für den energetischen Zusammenhalt des Ganzen sorgt.
Was unbehauen und grob wirken mag, ist in der Tat das Ergebnis eines raffinierten ästhetischen Konzepts: Die Figur des Fährmanns ist realistisch genug, um die Botschaft zu vermitteln und abstrakt genug, sich nicht in unbedeutenden und ablenkenden Details zu verlieren. Ausschau haltend und scheinbar pausierend, drückt die Figur die .....
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Textauszug aus dem Ausstellungskatalog "different levels"
Vom Glanz der Idee
Bemerkungen zum plastischen Werk von Wolfgang Auer
Der Künstler, der ein Bildwerk aus Bronze schafft, arbeitet in aller Regel gar nicht in respektive mit seinem Material. Er arbeitet in Wachs, in Gips, in Ton oder Holz. Bronze ist eigentlich, wenn man so will, kein künstlerisches Material. Das ist ein sehr puristisches Argument, dass so auch nicht stehen gelassen werden kann, da der Bildhauer, der in Gips oder Holz Formen schafft, ja nicht immer eine Gipsplastik oder Holzskulptur als Ziel vor Augen hat, sondern eben eine Bronze. So ist es auch bei Wolfgang Auer.
Das hat Konsequenzen für das Schaffen, denn die spezifischen technischen Bedingungen eines Bronzegusses und die Ästhetik des Materials, die eine ganz andere ist als die des Gipses oder Holzes, fließen in die Arbeit ein. Man darf also getrost weiterhin von Bronze als künstlerischem Material reden. Das klassische „aere perennius“, das dem Wort längere Wirkmacht zuschrieb als der Bronze, benutzte ja immerhin die Dauerhaftigkeit der Bronze als Vergleichsstandard. Und darum geht es bei der Bronze immer auch: um den Ewigkeitsaspekt. Auch wenn wir spätestens seit Percy Bysshe Shelleys „Ozymandias“ wissen, dass solches ein sinnloses Unterfangen ist, selbst wenn in Stein gehauen wird. Das wiederum kümmert Künstler wenig, sie haben eine Art „relativen“ Ewigkeitsbegriff, der übersetzt einfach „sehr lange“ bedeutet. Und dennoch schwingt immer auch Unbegrenztheit mit, was Begriffe wie Spinozas „sub specie aeternitatis“ (unter Ewigkeitsaspekten) ansprechen.
Mehr Aufmerksamkeit verdient die Tatsache, dass die Idee erst einmal über dem Material steht. Denn die künstlerische Idee einer menschlichen Figur etwa, ...
The Splendor of the Idea
Remarks on the sculptures by Wolfgang Auer
By Gerhard Charles Rump
The artist creating a sculpture in bronze will hardly ever work with or in his material. Rather he will use wax, plaster, clay or wood. Bronze may be considered not to be an original artists’ material. This a purist argument which cannot stand, as the sculptor creating forms in plaster or wood doesn’t necessarily have a plaster or wood sculpture in mind, he may want to create a bronze. This is also true for the works of Wolfgang Auer.
This is consequential for the creation, as the specifically technical conditions of a bronze cast and the aesthetics of the material, being totally different from plaster or wood, will all bleed into it. So we may very well continue to speak of bronze as an artistic material. The classical “aere perennius”, ascribing a longer stretch of power to the word than to bronze, at least made use of the metal’s image of durability for the comparison. And that is what it is always also about with bronze: the aspect of eternity. We know since Percy Bysshe Shelley’s “Ozymandias” that this is futile, even when sculpting in stone. Artists may shrug at this, having a “relative” notion of eternity, which simply translates “for a very long time”. Yet there is always a touch of the unbounded, referred to in phrases like Spinoza’s “sub specie aeternitatis” (under the aspect of eternity).
It is even more important .....
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Textauszug aus dem Ausstellungskatalog "Back to the Roots"
Der Wille zum Werk
Zu den bildhauerischen Arbeiten von Wolfgang Auer
Es gibt, allgemein gesprochen, zwei Typen von künstlerischen Œuvres: Das einheitliche, homogene, und das vielfältige, das heterogene. Künstler wie Henry Moore etwa haben ein einheitliches Werk hinterlassen, wo man im Frühwerk in der Nachschau schon das Spätwerk präfiguriert sieht. Andere, etwa Gerhard Richter, gehen ganz anders vor: Sogar parallel zueinander entstehen, zumindest phänotypisch, von der Erscheinungsweise her, völlig unterschiedliche Arbeiten. Man darf dabei den Fehler nicht machen, das als Wertung einzusetzen. Beide Arten von Œuvres sind prinzipiell gleichwertig.
Wolfgang Auer gehört zu den Künstlern, die unterschiedliche Schaffensweisen gleichzeitig betreiben. Ihr Impetus, ihr ablesbarer gestalterischer Wille (durchaus im Sinne von Alois Riegl und seinem Kunstwollen) kommt aus dem Innersten als ästhetisch-kommunikatives Bedürfnis, und dieses erstreckt sich auf die Platzierung des Werks in einem größeren Kontext, der Umgebung, der Geschichte. Schließlich enthält jedes Kunstwerk eine Weltsicht. ....
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Textauszug aus dem Ausstellungskatalog "Blue Baby - Arbeiten von Wolfgang Auer"
von:
Dr. Alice Arnold-Becker
Leiterin des Museums im Wittelsbacher Schloss Friedberg
BLUE BABY
Viermal Blue Baby – Zur Ausstellung
Ende 2008 lernte ich den Friedberger Künstler Wolfgang Auer kennen. Zwar hatte ich zuvor bereits von seinen Arbeiten gehört, auch davon, dass er eine riesige Babyplastik geschaffen hatte. Bis dato hatte ich aber keine konkrete Vorstellung von diesem Werk. Das sollte sich schnell ändern, und es stellte sich heraus, dass es sich nicht nur um eine, sondern gar um drei weit überlebensgroße, blaue Babyplastiken handelte. Eine weitere war im Entstehen.
Ich spürte, dass sich hier ein spannendes Ausstellungsprojekt herauskristallisieren würde. Die Dimensionen dieser vorwiegend aus Polyester und Textil gearbeiteten Babys sind enorm – selbst in krabbelnder bzw. sitzender Position übersteigen sie mit einer Höhe von 2,50 m bis 2,80 m die Körpergröße eines erwachsenen Nordeuropäers bei Weitem. Zugleich rief die Kombination von blauer Hautfarbe und munterem Blick dieser in weiße Riesenstrampelanzüge gekleideten Gestalten bei mir Irritation hervor und weckte meine Neugierde.
Schließlich war der Plan gefasst, erstmals alle vier Riesenbabys in einer Ausstellung zu zeigen:
Von den vier Babys sind zwei – die krabbelnden „Blue Babys“ – sehr ähnlich gearbeitet: die erste Plastik ist von tiefblauer opaker Farbigkeit und für die Aufstellung im Freien konzipiert, die zweite Plastik schimmert je nach Lichteinfall in verschiedenen Blautönen, ist zerlegbar und mit ihrem aus Textil gearbeiteten Strampelanzug für den Innenraum vorgesehen. Das dritte Baby, „Blue Baby, have a break“, sitzt auf seinen Beinen und hat die Hände vorne aufgestützt. Nummer vier im Quartett ist „Blue Baby’s perspective“: ein auf allen Vieren stehendes, kopfüber zwischen seinen Armen neugierig durchlinsendes Baby.
Neben den großen Arbeiten wird in der Ausstellung auch ihr Entstehungsprozess veranschaulicht – anhand von ausgewählten Skizzen und Modellen sowie den drei so genannten „Little Blue Babys“, lebensgroßen Babyplastiken, die einerseits als Modelle für die großen Arbeiten fungierten, andererseits eigenständige Werke darstellen.
Erste Ideen zu seinen Arbeiten hielt der Künstler in drei Skizzenbüchern fest. Diese Skizzen – vielfach bestechen sie durch ihre ungeheure Lebendigkeit, Dynamik und Humor – sind mit lockerem Duktus, zum Teil mit Leuchtstiften, ausgeführt. Im folgenden Arbeitsgang griff Wolfgang Auer immer wieder zu Papier und Bleistift. Um sich der Dreidimensionalität der Riesenplastiken zu nähern, ...
The director of the museum in Friedberg Castle Dr. Alice Arnold-Becker is talking about Wolfgang Auer’s exibition BLUE BABY taking place there from October 2_nd 2009 until January 10th 2010.
Before meeting the artist Wolfgang Auer from Friedberg at the end of 2008 I knew about his work, in particular his giant sculpture of a baby, only from hearsay. At this point I could not imagine what his oeuvre looked like, but I was surprised to learn that there were three blue sculptures of babies by far above life-size and that he was working on another one.
In my mind these exhibits could be involved in an exciting project. I was impressed by the enormous dimensions of these babies made of polyester and fabric most of all. With a height of 2,50m to 2,80m they are much bigger than average North European adults despite the fact that they are only crawling or sitting. At the same time I was fascinated and slightly irritated by the blue skin and the lively looks of these figures dressed in giant white jumpsuits and arousing my curiosity.
Eventually I decided to present all these four giant babies in an exhibition. Two of these four babies, the crawling ones, resemble each other a lot. The first sculpture with its deep blue opaque colour was designed to be exhibited in the open air, whereas the second sculpture that reflects light in different blue oscillating tints and that can be taken apart was conceived to be presented indoors because of its textile jumpsuit. The third schulpture entitled „Blue Baby, have a break“ is sitting on its legs and is supported by its hands placed in front of it. The fourth sculpture „Blue Baby’s perspective“ is a baby standing on its feet and hands and peeping full of curiosity head over heels between its arms.
A selection of sketches and models is also presented to exemplify how these big sculptures were created, and visitors can look at three life-size sculptures entitled „Little Blue Baby“ that served as models and were created independently as well. .....
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Textauszug aus dem Ausstellungskatalog "Im Wege stehend V:"
von:
Dr. Dietmar Schuth
Kunstverein Schwetzingen
BLUE BABY
Überlebensgroß, ja monumental steht, nein krabbelt das „Blue Baby“ von Wolfgang Auer auf dem Pflaster, „irreal und hyperrealistisch“, wie es der Künstler selbst formuliert. Kleiner Mensch, ganz groß. Doch diese Plastik aus Polyester ist kein Mensch, auch wenn sie mit ihren großen Augen sehr lebendig in die Welt schaut, etwas ängstlich lächelt und mit feinen Fingern das Terrain abtastet. Der „Maßstabsprung“ wie auch die blaue Farbe erheben diese so natürlich anmutende Plastik in eine andere, symbolische Dimension. Der Künstler selbst verrät aber nicht, was er im Sinn hatte, als er diese Arbeit konzipierte, .....